Achtsamkeit beschreibt die innere Einstellung und Bereitschaft, das wahrzunehmen, was dir begegnet.
Wie die Wortbedeutung schon teasert, geht es darum achtzugeben und zu schauen was da ist, was
passiert. „Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig frei von Motiven oder
Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche Interpretation oder Verzerrung“ (Krishnamurti). Es geht also
nicht darum ein Ergebnis zu kreieren oder ein bestimmtes Ziel zu haben. Ganz im Gegenteil. Achtsam zu
sein, bedeutet offen zu sein für all das, was gerade da ist.
Alles beginnt demnach mit einer Haltung, in der Wahrgenommenes beobachtet und nicht beurteilt oder
weitergearbeitet wird. Diese grundlegende menschliche Fähigkeit kennen wir bisher am ehesten unter
dem Begriff der Muße oder Kontemplation. Eine Art geistiges „Sichversenken“ in etwas. Leider haben wir
diese Skills jedoch in unserer westlichen gesellschaftlichen Entwicklung verlernt. Kein Wunder! Schließlich
entfremden wir uns immer stärker von der Natur und auch unserer eigenen Natur. Von unseren natürlichen
Lebensräumen und unserem Seins-Zustand. Einen großen Stellenwert an dieser Entwicklung nimmt dabei
unsere ökonomisch-materielle Orientierung ein.
Und doch schwappt das Thema Achtsamkeit in den letzten Jahren immer stärker Richtung Westen. Dass
das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Achtsamkeit größer wird, liegt schlichtweg an einer
wachsenden Sehnsucht nach ursprünglicher Erfahrung und Verbindung. Dass wir uns mit anderen
Menschen, der Natur, aber auch uns selbst verbinden wollen, liegt uns „im Blut“. Glücklicherweise sind die
heilsamen Wirkungen der Achtsamkeitspraxis bei seelischen Leiden wie Stress, Burnout und
Depressionen mittlerweile gut erforscht. Dadurch konnte man feststellen, dass Achtsamkeit als
ursprüngliche spirituelle Haltung bei uns in der westlichen Gesellschaft angekommen ist.
Der Trendforscher Matthias Horx spricht bereits von einer „Ära der Achtsamkeit“. Und obwohl diese
Entwicklungen super erfreulich sind, gibt es für alles Positive auch ein Gegengewicht. Dies zeigt sich im
Rahmen der „Selbstoptimierungs-Industrie“, die sich den Begriff der Achtsamkeit zu eigen macht und ihn
wiederum für ökonomische Zwecke nutzt, die nicht wirklich etwas mit einem spirituellen Ursprung
gemeinsam haben. Der Achtsamkeitspionier Jon Kabat-Zinn nennt dies ironisch „McMindfulness“. Als
Pionier unterrichtet er seit vielen Jahren Achtsamkeitsmeditation, um Menschen zu helfen, einen besseren
Umgang mit Stress zu kultivieren. Und mit Ängsten und Krankheiten besser umgehen zu können. Während
seines Berufslebens engagierte er sich stark dafür, die Achtsamkeitspraxis in der Medizin und Gesellschaft
bekannt zu machen und sie zu etablieren.
Eine weitere Möglichkeit für einen gelungeneren Umgang mit den kleinen und großen Hürden des
alltäglichen Lebens ist die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion alias Mindfulness-Based Stress
Reduction, kurz MBSR. Ob du den Weg zu einem achtsamen Leben nun über MBSR, Meditation oder
andere Tools findest, ist dabei eher nebensächlich. Hauptsache ist, dass du ihn findest. Es geht also nicht
darum, wie du sie praktizierst und welcher Schule du dich bedienst, sondern dass du es tust. Ein
achtsames Leben geht übrigens weit über das Meditationskissen im eigenen Wohnzimmer hinaus. Ob nun
im persönlichen oder beruflichen Alltag, finde deinen Weg. Dieser ist nämlich total individuell und damit
auch einmalig.
Wie gelingt es uns aber, dass Achtsamkeit nicht zur Eintagsfliege und nur dann als Option herangezogen
wird, wenn alles Kompensieren nichts mehr bringt? Dafür ist es wichtig zu wissen, dass wir bereits alles in
uns haben, um achtsam zu leben. Wir können von jetzt auf gleich achtsam sein, ohne eine bestimmte
Methode zu erlernen. Achtsamkeit ist eigentlich nichts Neues für uns. Nimm etwas in deine
Aufmerksamkeit, in deinen Fokus und beobachte dies, ohne es zu be-werten. Vielleicht konzentriert sich
dein Fokus auf deine aktuelle Gefühlslage. Oder auf das, was du gerade denkst, schmeckst oder hörst.
Achtsamkeit funktioniert über deine Wahrnehmung und über deine menschlichen Sinne. Über das Sehen,
Hören, Schmecken, Riechen, Tasten und Fühlen. Du merkst, Achtsamkeit ist körperbezogen.
Unser Atem ist in uns angelegt. Wir atmen tagtäglich und können uns dem nicht entziehen.
Glücklicherweise. Ansonsten würde unser Fortbestand vermutlich etwas kritisch aussehen. Und obwohl
das Atmen größtenteils unbewusst abläuft, dürfen wir uns bewusst machen, wie wir atmen. Ruhig,
gelassen oder tief in den Bauch? Oder aber hektisch und oberflächlich? Unser Atem ist also nicht nur ein
geniales Werkzeug, um präsent zu sein, sondern auch eine Art Kompass, der dir anzeigt, ob du in An-
spannung oder Ent-spannung unterwegs bist. Mit dem Zitat „Auf den Atem zu vertrauen, heißt, auf das
Leben zu vertrauen“ bringt es Mark Whitwell auf den Punkt.